Interviews mit alleinerziehenden Vätern

Wir haben drei Interviews mit alleinerziehenden Vätern geführt, nachfolgend können Sie die Texte (anonymisiert) lesen!

Interview A:
SVAMV: Warum sind Sie alleinerziehender Vater? Wie viele Kinder und in welchem Alter?
Ich habe einen 5 Jahre alten Sohn und lebe von der Mutter getrennt. Momentan ist eine abwechselnde Betreuung mit der Kindsmutter, u. a. aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich. Sie bringt sich ein, so gut es geht und passt immer Dienstag abends und Donnerstag am Nachmittag bei mir auf unseren Sohn auf. Alimente leisten wir beide nicht.
SVAMV: Mit welchen Herausforderungen müssen Sie speziell als alleinerziehender Vater kämpfen? Gibt es Unterschiede zu alleinerziehenden Müttern?
Die grösste Herausforderung ist sicherlich das Unverständnis, auf das man im sozialen Umfeld als alleinerziehender Vater stösst. Es ist nur wenigen verständlich, dass eine Mutter nicht immer für ihr Kind da sein kann oder will. Sich immer wieder zu erklären und zu rechtfertigen ist auf Dauer mühsam, aber notwendig, um auch alleinerziehenden Vätern eine Stimme zu geben.
SVAMV: Wieso bleiben aus Ihrer Sicht die Kinder heutzutage immer noch häufiger bei der (alleinerziehenden) Mutter als beim Vater? Was müsste sich ändern?
Mein Eindruck ist, dass die Gerichte vielleicht eher zugunsten der Mütter entscheiden. Des Weiteren beeinflussen in meinen Augen die Anwälte der Mütter diese aus finanziellen Gründen auf eine alternierende Obhut zu verzichten, auch wenn diese viel mehr dem Interesse des Kindes entsprechen würde.
SVAMV: Welche Unterstützung hoffen Sie in der Zukunft vom Staat zu bekommen?
Für mich wäre eine fairere Besteuerung für Einelternfamilien wünschenswert. Der Kinderabzug für minderjährige Kinder ist nicht gerecht: Bei Eltern, die getrennt veranlagt werden und in separaten Haushalten wohnen, wenn keine Kinderalimente geleistet wird, steht der Kinderabzug beiden Eltern je hälftig zu. Dies nennt sich „gemeinsame elterliche Sorge“.
SVAMV: Was ist das Schöne daran alleinerziehender Vater zu sein?
Ich komme in den Genuss, sehr viel Zeit mit meinem Sohn verbringen zu können und ihn aufwachsen zu sehen. Das ist alles andere als selbstverständlich. Ich habe über Entscheidungen des Alltags viel weniger Diskussionen und kann Entscheidungen einfacher treffen. Auch die Planung der zweiwöchigen Wochenenden entfällt, was sicher einiges verkomplizieren würde.
SVAMV: Was müsste unser Verband anbieten, damit den Eineltern am effektivsten und Effizientesten geholfen werden kann?
Der SVAMV hat mir bereits effizient und effektiv weitergeholfen, wofür ich sehr dankbar bin.
Meiner Meinung nach könnte die Präsenz in den sozialen Medien verbessert werden, sodass das Angebot mehr alleinerziehenden Eltern bekannt ist und sie diese Hilfe in Anspruch nehmen können.
Interview B:
SVAMV: Warum sind Sie alleinerziehender Vater? Wie viele Kinder und in welchem Alter?
Im September 2018 ist meine Frau nach einer lange dauernden Krebserkrankung verstorben. Ich habe einen Sohn, der gerade 9 Jahre alt geworden ist.
SVAMV: Mit welchen Herausforderungen müssen Sie speziell als alleinerziehender Vater kämpfen? Gibt es Unterschiede zu alleinerziehenden Müttern?
Der Alltag im Allgemeinen ist zuweilen tatsächlich eine Herausforderung. Seit ich alleine bin, gibt es keine Arbeitsteilung mehr, auch die Verantwortung liegt alleine bei mir. Als meine Frau noch lebte (und gesund oder in einer guten Krankheitsphase), waren die Aufgaben (auf-) geteilt und wir beide haben gemeinsam den Alltag organisiert, getragen, bewältigt. Heute macht es mich manchmal müde, alles unter einen Hut bringen zu müssen, zu wollen, zu können. Vor allem: nichts vergessen dürfen. Gerade bei den Schulsachen meines Sohnes bin ich ein bisschen auf Nadeln: viele Schulbriefe, immer wieder Schultermine, hier noch eine zusätzliche Schwimmstunde, da noch ein Spezialznüni für den Waldbesuch usw. Daneben meine eigene Arbeit, der Haushalt, kochen, Freizeit organisieren (meine; des Sohnes, gemeinsame) und vieles mehr. Zu Beginn gab es Dinge, die gänzlich neu für mich waren. Um die Kleider meines Sohnes zum Beispiel hat sich ausschliesslich meine Frau gekümmert. Ab sofort musste ich mich auch darum kümmern. Es hat für vieles viel Zeit gebraucht, auch für das Trauern und Trösten. Heute ist alles gut eingespielt und ich empfinde den Alltag, wie er sich mir und uns nun präsentiert, als normal, gut und schön. Ich glaube nicht, dass es signifikante Unterschiede gibt zwischen alleinerziehenden Vätern und alleinerziehenden Müttern. Die Verwitwung begründet vielleicht den Unterschied im Vergleich zu Alleinerziehenden von Kindern, deren anderer Elternteil noch lebt. Kommt noch die Wahrnehmung hinzu: Während Aussenstehende bei alleinerziehenden Müttern wahrscheinlich und eher von einer Trennungs- oder Scheidungssituation ausgehen, nehme ich manchmal Unsicherheit wahr bei Leuten, denen ich erzähle, dass ich ein alleinerziehender Papi sei. Ich wurde schon einige Male gefragt, mal direkt, mal diplomatisch, ob denn das Mami meines Sohnes so schlimm sei, dass mein Sohn nicht bei seiner Mutter aufwachse …
SVAMV: Wieso bleiben aus Ihrer Sicht die Kinder heutzutage immer noch häufiger bei der (alleinerziehenden) Mutter als beim Vater? Was müsste sich ändern?
Das hat m. E. zwei Gründe: traditionelle Rollenmodelle und finanzielle Aspekte. Vor allem der zweite Punkt fügt vermutlich die Dinge: Der Vater arbeitet Vollzeit und hat einen höheren Lohn als die Mutter. Blieben die Kinder beim Vater, hätte dies unter Umständen einen negativen Einfluss auf seine berufliche und dann eben auch auf seine finanzielle Situation. Es hängt aber auch stark davon ab, in welchem Alter die Kinder sind; je älter, vielleicht gehen sie schon in die Oberstufe oder sind in der Berufslehre, desto eher ist es möglich, dass die Kinder beim Vater sind. Es ist schwierig, dies derart zu ändern, dass viel mehr Kinder beim Vater bleiben. Das Scheidungsrecht ist zeitgemäss(er) und basiert nicht mehr auf den traditionellen Rollenmodellen, die aber durchaus eben doch und noch gelebt werden – mal stärker, mal schwächer. Die letzte Meile muss sicher in der Arbeitswelt gemacht werden: Sicherstellung der Gleichstellung von Mann und Frau bei der Entlöhnung und bei den Arbeits- und Karrieremodellen, Ausbau der Betreuungsstrukturen usw.
SVAMV: Welche Unterstützung hoffen Sie in der Zukunft vom Staat zu bekommen?
Das ist eine schwierige Frage. Es fehlt mir an nichts, insofern wüsste ich nicht, wo ich vom Staat unterstützt werden sollte. Ich erfahre (und habe erfahren) viel Unterstützung zum Beispiel von den Schulbehörden, dort vor allem im Auffangen und Mittragen des Verlusts der Mutter meines Sohnes. Überhaupt erfahre ich viel Empathie: Behörden, Vermieter, Arbeitgeber, sie alle sind wenig vertraut mit dem Witwer-mit-Kind-Bild und begegnen mir manchmal mit einer speziellen Mischung von Einfühlung und Bewunderung. Natürlich wünsche ich mir für die Zukunft, dass unser Gemeinwesen, der Staat, die Behörden usw. die Rahmenbedingungen für Alleinerziehende so ausgestalten, dass Müttern und Vätern gleichermassen mindestens keine Nachteile aus ihrer Situation erwachsen.
SVAMV: Was ist das Schöne daran alleinerziehender Vater zu sein?
Mein Sohn muss ohne sein Mami aufwachsen. Ich habe dies gewusst, noch bevor meine Frau gestorben ist. Das hat mich fast zerrissen. Dann passiert das Unausweichliche, aber Erwartete, und man geht einen langen, langen Weg, bis die Farben wieder zurück im Leben sind. Mit meinem Sohn, und Dank ihm, war das eine der vielleicht intensivsten Phasen in meinem bisherigen Leben. Die Beziehung zwischen mir und meinem Sohn ist heute eine ganz andere, intensivere. Wir sind nicht nur eine Familie, wir sind auch eine Schicksalsgemeinschaft. So empfinde ich es. Dann erfüllt es mich mit noch grösserer Befriedigung und Zufriedenheit, meinem Sohn Vater zu sein, ihn zu begleiten, der Anker (noch) in seinem Leben zu sein. Meinen Sohn nun alleine zu erziehen, ist eine grosse Aufgabe und eine ebenso grosse Verantwortung, aber auch ein Privileg.
SVAMV: Was müsste unser Verband anbieten, damit den Eineltern am effektivsten und Effizientesten geholfen werden kann?
Beim Thema „Eineltern-Familien“ kommen mir spontan drei Stichworte in den Sinn: Kind, Geld und Recht. Mit diesen Begriffen lassen sich die unterschiedlichsten Situationen und dann eben Schwierigkeiten vorstellen, bei welchen Betroffene Unterstützung oder Hilfe benötigen. Ganz allgemein ist es wünschenswert, dass ein Verband seine Mitglieder effektiv unterstützen kann, wenn Fragen oder Probleme auftauchen. Bei Eineltern-Familien stellen sich meist Fragen rechtlicher oder finanzieller Natur. Da ist es sicher gut, wenn ich als Betroffener bei einem Verband Hilfe erhalte – Informationen, Beratung, Hilfestellung, usw. Gerade in Geldfragen sind vielen die Möglichkeiten nicht bekannt, zum Beispiel, wo sie welche Unterstützung beantragen können und in welcher Form dies zu geschehen hat. Bald nach meinem Verlust meiner Frau bin ich dem Verein AURORA beigetreten, der Kontaktstelle für Verwitwete mit minderjährigen Kindern. Es ist das erste Mal, dass ich einem Verein beigetreten bin. Das verbindende Schicksal der Mitglieder, die Gemeinschaft und die Vereinsaktivitäten tun gut, helfen und bereichern.
Interview C:
SVAMV: Warum sind Sie alleinerziehender Vater? Wie viele Kinder und in welchem Alter?
Ich bin Vater eines 10 ½ jährigen Kindes. Meine Ex-Frau, die Kindsmutter, hat uns vor knapp acht Jahren verlassen.
SVAMV: Mit welchen Herausforderungen müssen Sie speziell als alleinerziehender Vater kämpfen? Gibt es Unterschiede zu alleinerziehenden Müttern?
In unserem Fall ist es so, dass ich gerichtlich die Obhut bekommen habe, weil die Mutter das Kind nicht wollte. Das elterliche Sorgerecht haben wir aber beide bekommen, was für mich keinen Sinn macht. Kinderalimente bekomme ich deutlich weniger, als mir zustehen würde, Fr. 915.- anstatt 1460.- im Monat, obwohl die Mutter arbeiten geht. Das ist für mich nicht nachvollziehbar. Besonders ist mir in den letzten Jahren aufgefallen, dass wenn man über alleinerziehende Elternteile spricht, häufig direkt von einer alleinerziehenden Mutter ausgegangen wird. Dies auch bei Institutionen wie beispielsweise der Caritas. Dementsprechend sind die meisten Angebote auch für „Mutter und Kind“ ausgerichtet, sodass alleinerziehende Väter oftmals ausgeschlossen sind.
SVAMV: Wieso bleiben aus Ihrer Sicht die Kinder heutzutage immer noch häufiger bei der (alleinerziehenden) Mutter als beim Vater? Was müsste sich ändern?
Meiner Meinung nach ist jeder Elternteil gleich wichtig für das Kind. Wenn man über alleinziehende Eltern spricht, ist das Geschlecht der Eltern nur in der ersten Zeit nach der Geburt von Bedeutung. Später unterscheidet sich für das Kind nur noch die Bezeichnung Mami oder Papi und die Bedürfnisse stehen mehr im Vordergrund.
SVAMV: Welche Unterstützung hoffen Sie in der Zukunft vom Staat zu bekommen?
Das Gericht und auch die Gesellschaft sollten die Realität anerkennen, dass es auch vermehrt alleinerziehende Väter gibt. Ihnen sollte dasselbe Unterstützungssystem zugute kommen wie alleinerziehenden Müttern. Die Organisation des Familienlebens kann ein Mann übernehmen wie eine Frau. Der Staat muss diese bereits gelebte Lebensrealität endlich anerkennen und in seinen Entscheiden berücksichtigen.
SVAMV: Was ist das Schöne daran alleinerziehender Vater zu sein?
Das «Schöne» ist relativ und schwierig, genau mit «nicht schön» zu vergleichen bzw. mit den Erfahrungen alleinerziehender Mütter zu vergleichen. Mich freut es beispielsweise sehr, wenn mein Sohn isst, was ich für ihn gekocht habe ?
SVAMV: Was müsste unser Verband anbieten, damit den Eineltern am effektivsten und Effizientesten geholfen werden kann?
Machen Sie weiter so! Ich habe sehr gute Erfahrungen gemacht und kann sie nur jedem alleinerziehenden Elternteil empfehlen.
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