Alleine doppelt stark

Antworten auf unsere Fragen aus unserem Newsletterkreis! Wir danken allen, welche mitgemacht haben. Toll!

Intro

Ich bin alleinerziehende Mutter von 2 Jungs (5 und 7) und habe die letzten 9 Jahre auf den Philippinen gelebt. Wegen Corona mussten wir überstürzt in die Schweiz zurückkehren und unsere Zelte dort abbrechen. Auch wenn ich auf den Philippinen bereits alleinerziehend war, so war der Vater oder seine Familie teilweise involviert. Durch die abrupte Trennung der Familie wurde das Leben als Alleinerziehende gleich mehrfach erschwert. Unser täglicher Kampf ist nun das Umgewöhnen an die Schweiz, die Sprache, soziale Isolation, finanzieller Druck, Arbeit, Schule, Hort und alles was dazugehört. 

Anfangs bekamen wir Unterstützung vom Sozialamt. Nun habe ich jedoch 2 Festanstellungen mit insgesamt 80 % Arbeitspensum. Trotz Festanstellung werden wir aktuell noch vom Sozialamt unterstützt, da mein Einkommen unter dem Existenzminimum liegt. Gerne würde ich mehr arbeiten, aber gleichzeitig tut es mir im Herzen weh, die Kinder aus ihrer Welt gerissen zu haben und sie nun ganztags im Kindergarten, der Schule und sonst im Hort unterzubringen. Mehr zu arbeiten ist nicht möglich, da mein Älterer sehr unter der Umstellung gelitten hat, oftmals tobt, nicht leicht zu betreuen ist und teilweise auch Unterstützung vom Schulpsychologen benötigt.

Nach einem nervlich sehr anstrengenden Jahr haben die Kinder nun zur Ruhe gefunden und fühlen sich hier zu Hause. Ich dagegen bin oft an meine Grenzen geraten, alles unter einen Hut zu kriegen. Dazu muss ich sagen, dass ich hier keine Unterstützung der Familie erhalte, da meine Mutter im Ausland lebt und mein Vater vor langer Zeit verstorben ist. Einfache Dinge wie Elternabende sind sehr kompliziert für mich zu organisieren. Freunde treffen – eine extreme Seltenheit und natürlich alles nur mit meinen Kindern.

Oft wünschte ich mir nur einen Tag für mich alleine und habe dann ein schlechtes Gewissen. Es wird oft als selbstverständlich angesehen, Eltern zu sein, aber eine Pause braucht jeder mal, denke ich ? 

Hier nun endlich zu den Fragen/Antworten:

Welche Gedanken gingen Ihnen als erstes durch den Kopf, als Ihnen bewusst wurde, dass Sie ab jetzt alleinerziehend sind?

Es war also eine sehr beängstigende Zeit und ein Überschuss an Gefühlen. Wie soll ich das alles alleine bewältigen? Was wird aus uns? Und vieles mehr…

Wann kam der Punkt, als Sie gesagt haben, «Ich bekomme das auch alleine hin!»?

Mir wurde bewusst, dass ich alleine stärker sein kann und werde, als mich von jemandem herunterziehen zu lassen. Es ist ein Prozess des Lernens und ein Weg, den man als Familie geht (auch, wenn man nur ein Elternteil ist).

Wie haben Sie Ihrem Kind vermittelt, dass der Vater zu Hause auszieht?

Da die Kinder noch sehr klein waren, kamen keine Fragen auf. Er war keine grosse Unterstützung, somit ist es den Kindern nicht bewusst aufgefallen. Später kam er ab und zu zu Besuch und ich musste ihn daran erinnern, die Kinder öfters zu besuchen. Sie fragen noch heute, weshalb ich mit «Daddy» nicht mehr zusammen sei, und ich erkläre ihnen dann, dass sich Menschen gerne haben können, aber nicht verliebt sind. Beziehungen können sich ändern, aber das ändere nichts an der Tatsache, dass wir immer eine Familie sein werden. Sie fragen manchmal noch ein wenig weiter, aber normalerweise sind sie damit zufrieden.

Als Einelternfamilie habt ihr viele Hürden im Alltag zu meistern – Welche davon wurden unter-/bzw. überschätzt? 

Ich denke nicht, dass ich vieles unterschätzt hatte, denn mir war bewusst, wie schwer es sein wird. Ich versuche auf kleine Erfolge stolz zu sein und mich zu «loben». Das Sozialleben habe ich mir jedoch ein wenig anders vorgestellt. Wenigstens einmal im Monat Freunde treffen, um als eigenständige Frau und nicht als Mutter oder Angestellte angesehen zu werden, hätte ich erwartet/erhofft. Das ich nun seit 1.5 Jahren so gut wie niemanden mehr treffen kann, habe ich nicht erwartet. Das ist aber vor allem bei meinen Kindern der Fall, denn zusammen sind sie nicht sehr einfach zu «bändigen». Einzeln wäre es kein Problem den einen oder anderen Ausflug zu unternehmen oder Freunde zu treffen.

Worin liegt die Hürde sich in Sachen Trennung an Freunde und Familie zu wenden?

Ich finde es sehr wichtig, mit engen Freunden und Familie über alles sprechen zu können, vor allem bei einer Trennung. Man benötigt Verständnis, emotionale Unterstützung und Ablenkung. Eine Hürde war für mich keine vorhanden, denn ich habe immer offen mit meinen engen Freunden (auf den Philippinen) und der Familie gesprochen.

Ab wann ist man bereit eine neue Partnerschaft einzugehen?

Dieses Thema finde ich sehr schwierig. Das Verlangen nach Nähe, Zuneigung und Unterstützung ist gross und dennoch ist es beängstigend, jemand neuen in sein Leben zu lassen. Ich bin seit 6 Jahren alleine und kann mir eine Partnerschaft kaum noch vorstellen. Natürlich ist auch bei mir das Bedürfnis ist gross abends endlich nicht mehr alleine zu Hause zu sitzen, wenn die Kinder im Bett sind. Jemanden Kennenlernen ist aber sehr schwer. Man hat andere Kriterien und muss sich viele mehr Gedanken machen. Den Kindern will man niemanden vorstellen, den man selbst nicht gut genug kennt oder bei dem man sich nicht sicher ist. Nur schon die Fragen an sich selbst, was man gerne möchte, ist schwer. Jeder muss für sich selbst wissen, wann er dazu bereit ist. Für mich steht fest, solange ich selbst noch mit der Situation zu kämpfen habe,  (nicht der Trennung, sondern dem Zeitmanagement, Alltag etc.) und im täglichen Leben teilweise «überfordert» bin, kann ich auch keine Partnerschaft eingehen, das wäre keine gute Basis. Wenn man mit beiden Beinen im Leben steht und zufrieden ist, dann ist man auch dazu bereit eine neue Person daran teilhaben zu lassen.