Was braucht es, um eine Familie zu werden?

Von Anna Keller*
(Name geändert, dem SVAMV jedoch bekannt)
Die Definition einer Familie hat sich durch die Jahre immer wieder verändert. So wurde in den Sozialwissenschaften gerade von der Soziologin Talcott Parson die Aufgabentrennung innerhalb der Familie thematisiert. Die interne und externe Aufgabentrennung zwischen Ehe-Partnern hat Talcott wie gefolgt zusammengefasst: «Der Ehemann/Vater ist für die ökonomische Sicherheit der Familie, die Ehefrau/Mutter für Haushalt und v.a. Pflege und Erziehung der Kinder verantwortlich.»
Noch bis in die 1970er Jahre, konnte man mit diesem Modell die Mehrzahl aller Familien in den Industriegesellschaften beschreiben.
Lange stütze man sich in der Soziologie auf das Kriterium der Ehe, um eine Familie zu gründen. Zwar wurden und werden Familien zumeist durch eine zeremonielle Eheschliessung gegründet oder ergänzt bzw. erweitert. Aber es gab auch zu allen Zeiten und in allen Kulturen Familien, die nie auf einem Ehe-System beruhten. Das Ehe-System wurde auch immer wieder im Laufe der Zeit durch Rollenausfall infolge Tods, Trennung oder Scheidung neu definiert. Daher wird in der Soziologie heute die Ehe nicht mehr als essenzielles Kriterium von Familie betont.
Heute trifft das Modell aufgrund vielfältiger Veränderungen in anderen gesellschaftlichen Teilbereichen nicht mehr zu. Hier formulierte man einen Funktionsverlust der modernen Familie im Vergleich auf vorindustrielle Familien. Bestimmte Funktionen wurden an den Staat oder andere gesellschaftliche Gruppierungen abgetreten.
Folgende Diskussionen werden heute über das Thema geführt:
Braucht das Kind eine Vater- und Mutterfigur damit die Familie vollständig ist? Können deswegen gleichgeschlechtliche Eltern Ihre Erziehungsaufgabe nicht vervollständigen? Im Gegensatz zu Kindern die beide Eltern (Vater und Mutter) zur Seite haben, verpassen Kinder, welche ohne einen Elternteil aufwachsen, etwas im Leben?
Diese Sorgen scheinen Personen zu haben, welche die Einelternfamilien und gleichgeschlechtliche Familien verurteilen. Diese Meinungen sind jedoch veraltet. Es gibt genug Beispiele von Eltern, welche bei der Erziehung von ihren Kindern versagen, obwohl beide Partnerteile zur Verfügung stehen. Es liegt also nicht daran, wie viele Personen, mit welchem Geschlecht und in welcher Verbindung die Kinder stehen. Natürlich ist es wichtig, die Kinder im bestmöglichen Umfeld gross zu ziehen. Die Kinder von heute bedeuten unsere Zukunft. Deshalb sollten wir diesem Thema unsere Aufmerksamkeit schenken.
Es ist wichtig zu wissen, was eine Familie ausmacht und wie wichtig diese für die Gesellschaft ist. Moderne Familien werden heute unabhängig von ihrer jeweiligen spezifisch historischen, regionalen bzw. kulturellen Ausprägungen durch folgende Grundmuster gekennzeichnet:
- Sie übernehmen bestimmte gesellschaftliche Funktionen, zumindest in der biologischen und psychischen Reproduktion und Sozialisation.
- Es besteht eine Generationsdifferenzierung (Kinder, Eltern, Grosseltern evtl. Urgrosseltern)
- Die Familienmitglieder kooperieren auf einer Vertrauensbasis und in einem Solidaritätsverhältnis. Daraus resultieren Rollendefinitionen innerhalb der Familie.
Eine Familie wird also nicht durch die Eheschliessung von einem Mann und einer Frau geschlossen. Die Voraussetzungen um eine Familie führen oder gründen zu können, ist also nicht nur die Fähigkeit, Kinder auf die Welt zu bringen. Man muss in der Lage sein, gesellschaftliche Funktionen zu übernehmen, Generationsunterschiede zu bewältigen und durch Solidarität und Vertrauen mit anderen kooperieren zu können. Das sind die Voraussetzungen für eine Familie.
Die Familie ist eine universale Institution menschlichen Zusammenlebens. Als Teil der Gesellschaft wird die Familie nicht nur von dessen geprägt. Sie trägt ihrerseits wiederum stets dazu bei, sowohl die Gesellschaft zu verändern als auch zu erhalten.
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