#coronaalone

Interview mit Romina, 36 Jahre alt aus Liestal (BL)

Alleinerziehende Mutter von einem 13 jährigen Mädchen, Teilzeit erwerbstätig im Detailhandel

Schon vor Corona war die Situation für zahlreiche Alleinerziehende schwierig. Die Lage spitzte sich die letzten Monate mit den Verordnungen des BAG weiter zu. Ich habe meine Studienkollegin Romina zu ihrer aktuellen Situation befragt. – Das hoffentlich letzte Interview mit Coronabezug

Hinweis: Das Interview wurde noch vor den letzten BAG Anpassungen von Anfang Februar 2022 geführt.

Julia:

Was sind Deine alltäglichen Herausforderungen als Alleinerziehende, auch ohne Corona-Krise? Wie haben sich diese nun seit den Einschränkungen verändert? Wie hast du diese Zeit überstanden? Was war besonders herausfordernd und was vielleicht sogar einfacher?

Romina: 

Mit einer pubertierenden Tochter werden die einfachsten Dinge und Entscheidungen zu einer Herausforderung (lacht). Das hat aber nichts spezifisch mit Corona zu tun, aber ja, es ist deutlich anstrengender und schwieriger geworden. Wir sind beide sehr unausgeglichen. Sie ist stinkig, weil sie ihre Freunde nur beschränkt sehen kann und mich belasten vor allem finanzielle Sorgen, die ich sonst so nie hatte.

Julia:

Wie geht es deiner Tochter? Was macht sie den ganzen Tag? Wie kommt sie mit dir und der Situation zurecht? Was geniesst sie gerade, und was vermisst sie besonders?

Romina: 

Ich glaube, sie kommt sogar besser damit zurecht als ich. Aber man merkt, ihr fehlt der soziale Kontakt und vor allem ihr Sport, den sie zwischendurch nur noch eingeschränkt durchführen konnte. Sie geniesst und nutzt vor allem die erweiterten Internetzeiten, die ihr Corona beschert hat. Da sie ihre Freunde weniger physisch sehen konnte, bin ich da von meiner harten Linie, nach viel Frust auf beiden Seiten, abgewichen. Na ja, wir haben versucht, einen Kompromiss zu finden. Besonders schwierig war es vor allem zu Beginn der Pandemie, jetzt haben wir uns eingegroovt. Sie vermisste oder vermisst auch noch vor allem Kinobesuche, den Sport und das unbeschwerte Beisammensein.

Julia:

Gab es in den letzten Wochen Situationen, in denen du oder deine Tochter überfordert waren? Was hast du dann gemacht?

Romina: 

Wie gesagt, in den letzten Wochen weniger. Das hat sich normalisiert und sie ist halt 13 und versucht alles zu diskutieren und infrage zu stellen. Aber ihr Wunsch, mit einer Freundin allein in die Berge zu fahren, unabhängig von Corona, nein. Einfach nein. Da gibt es keine Diskussionen bei mir. Danach hat sie ein paar Tage nicht mit mir gesprochen. So geht es wohl allen Eltern, unabhängig von allein oder als Paar zwischendurch.

Grundsätzlich versuche ich es bei unseren Konflikten an ihr Verständnis zu appellieren und ihr meine Sicht der Dinge darzulegen. Es kann mal krachen, wichtig ist am Ende wieder zusammenzufinden und vielleicht wenigstens einen Kompromiss zu finden.

Julia:

Welche Unterstützung hast du von dem Kindsvater? Hat sich da seit Corona etwas verändert? Wer unterstützt dich noch in deinem Umfeld?

Romina: 

Mein Ex-Partner und Kindsvater unterstützt mich im Alltag nicht. Ok, vielleicht doch durch seine Unterhaltszahlungen, aber nicht im Sinne von Arbeitsteilung, Erziehung oder Ähnlichem. Corona hatte in unserem Fall keinen Einfluss auf ein besseres oder schlechteres Verhältnis. Es ist unverändert und das ist meiner Meinung nach auch gut so. Ina und ich funktionieren als Team und haben ein gutes, vertrauensvolles Verhältnis. Da fehlt niemand. Dennoch kann ich im Alltag kaum auf die Unterstützung meiner Eltern und engsten Freunde verzichten. Vor allem bei spontanen Arbeitseinsätzen oder wenn ich mal auf ein Date gehen möchte (kichert).

Julia:

Wie hat sich deine wirtschaftliche beziehungsweise finanzielle Situation in den letzten Monaten verändert? Kannst du von den Hilfsprogrammen (Kinderzuschlag, Notbetreuung, Kurzarbeit usw.) profitieren?

Romina: 

Es ist knapp, war es vorher auch schon, aber es schwingt seit Anfang 2020 immer Unsicherheit mit. Was kommt als Nächstes? Muss ich wieder ins Homeschooling, falle ich oder ein Kollege kurzfristig im Job aus. Einen Nebenjob finden, um ein weiteres Einkommen und mehr Sicherheit zu generieren ist während der letzten Monate aufgrund des geringen Angebots und der zeitlichen Unsicherheit nahezu unmöglich. So habe ich es in der Vergangenheit immer mal gehandhabt, wenn es finanziell eng wurde. Aber jetzt einen Kellnerjob wäre wie ein Sechser im Lotto.

Julia:

Was hat sich im Alltag verändert? Gibt es Engpässe bei der Versorgung oder Schwierigkeiten? Was vermisst du am „alten“ Leben am meisten bzw. worauf freust du dich besonders, wenn das alles mit Corona vorbei ist?

Romina: 

Die Abläufe sind weniger planbar. Das macht mich als sehr strukturierte Person nervös und ich muss immer einen Plan B, C oder D zur Hand haben. Das ist vor allem eine psychische Belastung. Manchmal liege ich abends im Bett und alles dreht sich. Das Entspannen fällt mir zunehmend schwer. Sei es aus finanziellen, organisatorischen oder persönlichen Gründen. Im Vergleich zu zahlreichen anderen zu dieser Zeit können wir uns nicht beklagen. Wir haben alles, was wir zum Leben brauchen. Sicher wäre es mal schön, in die Berge zu fahren, aber diese Zeiten kommen auch wieder.

Ich freue mich schon sehr darauf, mal wieder in den Ausgang zu gehen oder ein paar Tage nach Italien zu fahren. Ohne Gedanken an PCR Tests, erhöhte Kosten, Masken und Unsicherheiten. Ich glaube, wir sind uns in den letzten 2 Jahren vor allem bewusst geworden, dass es manchmal wirklich die einfachen Dinge sind.

Julia:

Irgendwann wird diese Pandemie vorbei sein, hoffentlich in nicht allzu ferner Zukunft. Welche der jetzigen Veränderungen würdest du gerne in die „neue“ Zeit mitnehmen?

Romina: 

Spontan fällt mir nichts ein. Oder doch, ich bin vielleicht ein wenig geduldiger geworden.

Julia:

Vielen Dank für deine Bereitschaft, uns diese doch sehr persönlichen Einblicke in dein Leben zu geben!

Zum Schutz der Privatsphäre ist der Name geändert und die Antworten anonymisiert. Die Familie und ihre Geschichten sind aber echt.

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