In unserem Jubiläumsjahr 2024 starten wir die neue Blogserie «Erfahrungen von Eineltern», in welcher wir persönliche Erfahrungen, Forderungen und Tipps von Eineltern mit euch teilen. Lesen Sie, wie schmerzvoll es ist, wenn eine Mutter bei der Trennung ihr Kind verliert. Früher, indem ihr das Sorgerecht entzogen wurde. Heute durch Entfremdung. Nicht mehr die Justiz, sondern das Kind selbst wird zum Sprachrohr des Vaters und teilt der Mutter irgendwann mit, dass es sie nicht mehr sehen möchte.
Wie alles begann, meine eigene Entfremdungsgeschichte.
Ich bin Frauenärztin. Mir wurde vor bald fünfzehn Jahren das Sorgerecht für meinen vierjährigen Sohn Marius entzogen. Begründet wurde dies im Allgemeinen damit, dass ich mich mehr für meine Karriere als für Marius interessieren würde. Im Speziellen warf man mir vor, Nacht- und Wochenenddienste zu leisten. Diese Erfahrung hat mich zutiefst erschüttert.
Von einem Tag auf den anderen verlor ich unwiederbringlich den Alltag mit meinem geliebten, kleinen Sohn. Die Erzieherinnen aus der Krippe, mit denen ich stets ein gutes Verhältnis gehabt hatte, händigten ihn mir nicht mehr aus. „Hüetemeitlis“ und Nachbarn betreuten von nun an Marius, wenn sein Vater am Abend Fussball spielte oder sonst verhindert war. Ich konnte/durfte nicht mehr mit meinem Sohn zu Abend essen, ihn nicht mehr ins Bett bringen, ihm nicht mehr wie zuvor eine Gutenachtgeschichte vorlesen und auch kein Gutenachtlied vorsingen.
An freien Tagen unter der Woche konnte ich ihn nur noch sehen, wenn sein Vater es erlaubte. Nur noch an seinem Wohnort, nie an meinem. Während ich vor der Trennung meinen Sohn mindestens zur Hälfte betreute, durfte ich ihn danach nur noch jedes zweite Wochenende sehen. Im juristischen Jargon hiess es: „Die Verfahrensbeteiligte wird berechtigt erklärt, ihren Sohn jedes zweite Wochenende von Freitag 19 Uhr bis Sonntag 19 Uhr auf eigene Kosten zu sich auf Besuch zu nehmen.“
Damals hatte ich viel zu verkraften. Nebst dem Schmerz, keinen Alltag mehr mit meinem Sohn verbringen zu können, musste ich die Scham aushalten, als eine Mutter dazustehen, der die Behörden das Kind weggenommen haben. Es galt, die ungläubigen Nachfragen und Blicke der anderen zu ertragen: ‚Wer weiss, ob das alles stimmt? Da wird schon was gewesen sein!’
Nebst der bitteren Erkenntnis, zu welch niederträchtigem Verrat ein ehemals geliebter Mensch mittlerweile fähig war, musste ich die abgrundtiefe Enttäuschung über das Vorgehen und Versagen der Behörden und Gerichte aller Instanzen aushalten. Ohne mich auch nur anzuhören, haben sie meinem Ex-Partner die Mär von der berufstätigen Rabenmutter und der „umgekehrten Rollenverteilung“ in unsere Beziehung geglaubt und nie revidiert. Und last but not least musste ich Alimente zahlen. Aus den Einkünften des Berufes, der die Begründung dafür geliefert hatte, mir meinen Sohn wegzunehmen.
Der Schmerz, die Scham und die Ohnmacht, nichts, aber auch gar nichts ändern zu können, zermürbten mich. Schliesslich war die Verzweiflung so gross, dass ich nicht mehr wünschte zu leben. Jahrelang habe ich still und einsam gelitten, denn es schien keine andere Mütter in meiner Situation zu geben. Nur Väter. Jahrelang habe ich mich geschämt, mich so schwach gezeigt zu haben. Jahrelang habe ich geglaubt, nicht stark genug für meinen kleinen Sohn gekämpft zu haben, bis ich beschloss, meine Erlebnisse durch ein therapeutisches Schreiben zu verarbeiten. Dabei habe ich gemerkt, in welch auswegloser, ohnmächtiger Situation ich damals war, und mir wurde klar, dass es mehr Mütter geben muss, denen es wie mir ging. Dass auch sie derart erschöpft vom Schmerz und geknebelt von den juristischen Fesseln waren, dass sie schlicht keine Kraft mehr haben, ihre Stimme zu erheben.
Deshalb habe ich schliesslich beschlossen, meine Geschichte auch literarisch zu verarbeiten. Entstanden ist so das Buch „Kein Marius“.
Im Frühsommer 2023 fing ich erneut an, nach Müttern in meiner Situation Ausschau zu halten. Zunächst fand ich solche in Deutschland, lose über die sozialen Medien organisiert. Später, über verschieden Ansprechpartner, fand ich Mütter auch in der Schweiz. Es tat gut, sich und anderen die eigene Leidensgeschichte zu erzählen. Gleichzeitig war es heilsam zu erfahren, dass alle die Trennung von ihren Kindern wie eine Amputation ohne Narkose erfahren haben, dass meine Lebensmüdigkeit keine individuelle Schwäche war, sondern fast schon eine kollektive Erfahrung. Und last but not least, dass bei allen auf die Trennung von ihren Kindern ein Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik folgte.
Überraschend war für mich zu erkennen, dass heutzutage niederträchtige, destruktive Partner kaum mehr auf die Unterstützung durch die Gerichte angewiesen sind. Durch das automatisch gewährte gemeinsame Sorgerecht hat sich die Kampfzone verlagert. Angelogen und mit doppeldeutigen Aussagen in die Irre geführt werden nicht mehr die Behörden und Gerichten, sondern unmittelbar die Kinder. Nicht mehr die Justiz, sondern das auf diese Weise entfremdete Kind wird zum Sprachrohr des Vaters und teilt der Mutter irgendwann mit, dass es sie nicht mehr sehen möchte.
Schockiert hat mich auch zu sehen, wie gross das Unwissen über das Phänomen der Entfremdung nicht nur in der Bevölkerung, sondern auch in therapeutischen und juristischen Kreisen ist. Die Entfremdung eines Kindes von einem Elternteil wird stets als vollständiger Kontaktabbruch dargestellt, obwohl die Ausdruckspalette vielfältig ist. Eine Entfremdung verläuft sehr subtil. Marius hat zum Beispiel schon sehr früh wahrgenommen, dass sein Vater allmächtig ist: Er konnte ihn von mir, seinergeliebten Mutter trennen, ohne dass irgendjemand sich ihm entgegen gestellt hätte: weder Onkel und Tanten, noch die Erzieherinnen in der Krippe und auch nicht die Richter. Wenige Monate nach der Trennung, bei einem Stadtfest, als ich nach dem Kinderumzug auf ihn zuging, konnte er es noch korrekt artikulieren: ‚Papi het gseit, dass du mir vom Rand us winke dörfsch, aber nöd „Hallo“ säge.‘ Heute hingegen ist sich Marius nicht mehr bewusst, warum er mich zurückweist. Er meint, ich hätte es verdient.
Entfremdungsgeschichten anderer Mütter
Ähnliches erzählte mir vor Kurzem eine Mutter über ihre mittlerweile Teenager-Kinder: „Ich habe sie noch bei mir, aber zu welchem Preis!“ Von ihrem Mann hat sie sich getrennt, um den verbalen Entwürdigungen, der körperlichen und der sexuellen Gewalt zu entfliehen. Nun muss sie erleben, dass insbesondere ihr Sohn sie verletzt, mit Worten, aber auch mit Schlägen. Ohne jegliches Schuldgefühl. Seinen absurden Rationalisierungen und seiner vehement vorgetragenen, angeblich ‚eigenen Meinung‘ versucht sie mit Liebe und Milde zu begegnen. Als Mutter verstehe ich sie sehr gut, doch als Frau und Feministin, frage ich mich, ob wir durch solch eine versöhnliche Haltung, nicht unsere Würde und unsere Rechte ein zweites Mal verraten. Zuerst taten wir es gegenüber unseren Ex-Männern, nun gegenüber unseren Kindern.
Doch es sind nicht nur starke, autoritäre Männer, welche ihre Kinder unter Druck setzen, damit sie sich von ihrer Mutter distanzieren. Auch ist eine juristische Auseinandersetzung der Eltern keine Voraussetzung für eine Entfremdung, wie die Geschichte einer anderen Mutter aus der Schweiz zeigt. Sie hat eine Mustertrennung hinter sich; einvernehmlich im Rahmen einer Mediation, mit selbstverständlich gemeinsamem Sorgerecht und hälftig geteilter Obhut. Die Finanzen wurden ebenfalls durch zwei aufgeteilt. Trotz dieser vordergründigen Fairness lief die Abmachung ‚die Kinder sind die eine Hälfte der Woche beim Vater und die andere Hälfte bei der Mutter‘ nur ein Jahr lang unkompliziert.
Obwohl sie diejenige gewesen ist, die ausgezogen war und die die beschwerliche Aufgabe hatte, ein neues Nest für sich und ihre Kinder aufzubauen, inszenierte sich ihr Ex-Partner als Opfer, als verletzter und verlassener Mann: Ohne explizit schlecht über sie zu reden, doch indem er mit ihnen nicht-kindgerechte Gespräche über seine Befindlichkeit und Probleme führte. Ein Umstand, für den insbesondere die sensible Tochter im Teenageralter empfänglich wurde. Auch in ihrem Falle erfolgte der vollständige Kontaktabbruch nicht sofort und auch nicht bei beiden Geschwistern. Ebenso erlebte auch diese Mutter zunächst eine sich über Jahre hinziehende Entfremdungsodyssee, gekennzeichnet durch heftige Streitigkeiten und körperliche Angriffe seitens der Kinder, bis die Tochter sich schliesslich weigerte, bei der Mutter zu wohnen. Schliesslich auch, sie zu sehen. Vor eineinhalb Jahren brach die Tochter auch die noch verbliebene, spärliche Kommunikation per WhatsApp ab.
Weil ihr Sohn sie ab und an noch besucht, würden Experten und Medien hier nicht von einem Entfremdungssyndrom sprechen. Seine Entscheidung, mit 16 Jahren ebenfalls nur noch bei seinem Vater zu wohnen, würde vermutlich als Unbequemlichkeit des Doppelrezidenz-Modells ausgelegt. Dass er auch jetzt, mit zwanzig Jahren niemals die Initiative ergreift, um seine Mutter zu treffen, wird ihm von der Umwelt mildernd als spätpubertierendes Verhalten zugute gehalten. Wie anders gelagert die Situation in Wahrheit ist, zeigen die Zeilen, die mir seine Mutter vor Kurzem geschrieben hat:
„Vor einer Woche haben wir telefoniert. Ich habe ihm von meinem Treffen mit seinem Onkel erzählt, zu dem Alex (Anm. sein Vater) auch den Kontakt abgebrochen hat. Ich wollte ihm damit zeigen, dass ich Kontaktabbrüche nicht mehr akzeptiere und dass auch er das nicht tun muss. Simon, mein Sohn, hat wütend reagiert, denn er findet, das gehe mich gar nichts an und ich solle mich da nicht einmischen. Das halbstündige Telefongespräch war geprägt von Missstimmung, ich war danach todtraurig. Es ist nicht so, dass ich nur von meiner Tochter entfremdet bin. Die Beziehung zu Simon ist wie Glatteis, die Ausrutschgefahr ist riesig. Im Anschluss an unser Telefongespräch ging er zum Geburtstagsessen von Alex, zusammen mit seiner Freundin und seiner Schwester. Armer Alex, der von seiner Frau Verlassene! Es ist mehr als zehn Jahre her, dass ich selbst mit meinen beiden Kindern Geburtstag feiern konnte.“
Geburtstag… Dieses Wort hat wieder Wunden in meinem eigenen Herz aufgerissen. Seit Marius’ viertem Lebensjahr habe ich nur noch zwei Mal seinen Geburtstag mitfeiern dürfen. Die zwei Mal, wo das Datum zufällig auf ein Wochenende bei mir gefallen ist. Ansonsten war ich nicht nur ‚nicht eingeladen‘, sondern ‚unmissverständlich unerwünscht‘. Und wenn manche Leute meinen sollten, dass man doch den Geburtstag seines Kindes vor- oder nachfeiern könne, dann erlauben Sie mir bitte die Bemerkung, dass sich dies genauso grausam anfühlt, wie wenn einem gesagt wird, dass es gut sei, dass man nach der Trennung noch ‚Kontakt‘ zu seinem Kind habe. Wenn man sich als Mutter doch ‚Alltag‘ mit seinem Kind erträumt hat…
Gut möglich, dass Menschen, die kein derartiges Verlusterlebnis hatten, niemals nachvollziehen werden können, dass es sich für ausgegrenzte Eltern so anfühlt, als ob man sein Kind verloren habe, auch wenn es de facto weiterlebt. Wohlmeinende Ratschläge, im Sinne von „Du musst nur ein paar Jahre Geduld haben. Du wirst schon sehen, deine Tochter/dein Sohn erkennt, was abläuft, und wird zu dir zurückkehren wollen“ erweisen sich in den allermeisten Fällen als reines Wunschdenken. Auch wenn die Kinder eines Tages erkennen sollten, dass sie den Hass und die Herabsetzung eines gekränkten Elternteils übernommen haben (was schon schwer genug ist), so werden ihnen die Scham und Schuldgefühle über das Verhalten, zu dem sie sich haben hinreissen lassen, im Wege stehen. Nicht selten schreiben entfremdete Kinder dem ‚gehassten‘ Elternteil böse, vernichtende Briefe. Oft wünschen sie ihm den Tod. Was nicht selten seine Mutter/seinen Vater derart verletzt, dass seine Liebe für das Kind abstirbt.
Ähnlich wie das gemeinsame Sorgerecht wird die geteilte Obhut die Zahl der entfremdeten Kindern erhöhen
Im Gegensatz zu vielen Experten und Politiker glaube ich nicht, dass die geteilte Obhut, so wie sie jetzt im Parlament diskutiert wird, mehr Kinder von dieser Form von seelischer Gewalt bewahren wird. Elternteile, die es darauf abgesehen haben, sich an ihren PartnerInnen zu rächen, indem sie die Geringschätzung und den Hass der Kinder gegenüber dem anderen Elternteil schüren, erreichen dies auch, wenn sie die Kinder nur gelegentlich oder jedes zweite Wochenende sehen, wie das Beispiel der ersten Mutter aus meinem Beitrag zeigt. Eine garantierte Betreuungszeit von 50% bei einem Entfremder wird zudem einem Typus von Entfremder in die Hände spielen, der sich insbesondere unter den männlichen Entfremdern findet: Denjenigen, welche seine Partnerinnen bei der Trennung dadurch bestrafen möchte, indem sie sie finanziell kalt stellt. Hierzu der Beispiel einer Frau aus dem Tessin, die ich letzten Herbst kennen gelernt habe.
Sie war in einer typischen Hausfrauenehe mit einem Mann, der sehr viel gearbeitet hat und dabei auch sehr gut verdiente. Obwohl sie sich zehn Jahre lang alleine um die Kinder gekümmert hat (eines mit besonderen Bedürfnissen), drohte ihr Mann bei der Trennung, ihr die Kinder wegzunehmen. Zunächst drehte er ihr den Geldhahn zu, weigerte sich, den in der Ehegemeinschaft entstanden Wohlstand mit ihr zu teilen, ebenso ihr nach der Trennung einen unterstützenden Unterhalt zu geben. Die juristischen Verhandlungen ziehen sich in die Länge. Um über die Runden zu kommen, beginnt diese Frau mit Ende vierzig, als ungelernte Kraft in einer sozialen Einrichtung zu arbeiten, während der Mann es sich erlauben kann, sich arbeitslos zu melden. Ihre Handlungen erwecken bei den Juristen den Eindruck, dass sie nun weniger Kapazitäten habe, sich um ihre Töchter zu kümmern, er hingegen mehr. Auch die Kinder vermögen nicht klar durchzublicken. Obwohl ihre Mutter diejenige ist, die fortan in eine kleiner, beengten Wohnung lebt und der Vater im geräumigen Einfamilienhaus verbleibt, sehen die zwei Mädchen die Mutter als ‚die Böse‘ an.
Höhepunkt der Beschuldigungen an die Adresse der Mutter und Wendepunkt in ihrer der Haltung sind die Sommerferien im Jahr davor. Um einer der Töchter, die vernarrt in Delphine ist, eine Freude zu machen, leiht sich die Mutter Geld für eine Delphin-Reise aus. Zunächst sagt ihr die jüngere Tochter ab, ohne Begründung. Schliesslich auch die Delphin-Begeisterte eine Woche vor den Ferien mit den Worten: „Du bist eine ganz gemeine Frau. Weil Papi dir Unterhalt zahlen muss, hat er kein Geld mehr, um mit uns in den Sommerferien zu verreisen. Deshalb werde ich nicht mit dir zu den Delphinen fahren.“ Als der Vater ein halbes Jahr später mit den beiden Mädchen nach Kalifornien ins Disneyland flog, haben sie dessen Armutsbekenntnisse bereits vergessen. Die Mutter hingegen ist nach diesem Vorfall so verletzt, dass sie es aufgegeben hat, sich noch um Zeit mit ihren Töchtern zu bemühen.
Auch wenn ich selbst stets berufstätig war, so muss ich sagen, dass es an meinem Verständnis von Fairness kratzt, wenn der Elternteil, der wegen dem gemeinsamen Familienmodel Abstriche bei den beruflichen Qualifikationen gemacht hat (meist Frauen), bei der Trennung ohne ein finanzielles Sicherungsseil dastehen soll. Auch komme ich nicht darum zu bemerken, dass so unterschiedlich die Geschichten und die sozialen Situationen der entfremdeten Mütter sind, welche ich zwischenzeitlich kennen gelernt habe, sie eines gemeinsam haben: Ihre Ex-Männer haben es darauf angelegt, alleinerziehend zu sein. Und, der Fairness halber, sollte man hier ebenso erwähnen, dass dieses Verhalten nicht genderspezifisch ist.
Gegenüber solchen Praktiken brauchen wir endlich eine gesellschaftliche und juristische Ächtung. Ebenso wirklich zielführende gesellschaftliche, therapeutische und behördliche Vorgehensweisen. Mediationen bringen in diesen Fällen nichts; mehr noch, sie bedeuten, dass sich das Opfer in der Elternbeziehung erneut und immer wieder der Gewalt des Partners ausliefern muss. Dies zeigt die Geschichte einer anderen Mutter aus der Romandie. Ihre zwölfjährige Tochter hat bereits den Kontakt komplett abgebrochen, der neunjährige Sohn kommt die Mutter noch ‚besuchen‘. Dafür macht sie, wie von den Behörden mit Nachdruck erwartet, eine Mediation nach der anderen mit ihrem Ex-Mann. Denn sobald dieser merkt, dass der Mediator ihn durchschaut, stellt er einen Befangenheitsantrag und der Mediator wird ausgewechselt. Die Behörde lanciert dann einen weiteren Mediationsversuch nach der Handlungsmaxime: „Die Eltern müssen an ihre gemeinsame elterliche Verantwortung erinnert werden, zu zweit Absprachen im Sinne ihrer Kindern zu treffen.“
Dass es Persönlichkeiten gibt, die alles tun, um ein gemeinsames Gespräch zu verhindern, wird von den Experten immer noch ausgeblendet. Und so muss diese Mutter, um vor den Behörden nicht selbst als unkooperativ zu gelten, sich immer wieder in den Mediationsstunden von ihrem Mann anschreien lassen. Denn im normalen Ton kann er offenbar nicht mit ihr reden. Die aktuelle Mediatorin hatte irgendwann Mitleid mit ihr: „Madame, ich kann ihrem Mann nicht verbieten, sie anzuschreien, doch ich erlaube ihnen, ihn dabei nicht mehr anschauen zu müssen. Sie dürfen aus dem Fenster blicken, wenn er wieder laut wird.“
Iulia Varga
0