Trotz Scheidung habe ich ein Recht auf Trauer

In unserem Jubiläumsjahr 2024 starten wir die neue Blogserie «Erfahrungen von Eineltern», in welcher wir persönliche Erfahrungen, Forderungen und Tipps von Eineltern mit euch teilen. 

Trotz Scheidung habe ich ein Recht auf Trauer

Siebzehn Jahre führte ich mit dem Kindsvater eine Beziehung, davon zehn Jahre verheiratet. Sieben Jahre nach der Scheidung fand mein damals dreizehnjähriger Sohn seinen Vater tot in der Wohnung. Nur wenige standen mir nach dem Tod meines Ex-Mannes bei. Offenbar ging das Umfeld davon aus, dass ich es als Geschiedene gewohnt bin, selbstständig zu sein.

Besonders getroffen hat mich, dass mir die Schwester meines Ex-Mannes null Empathie entgegenbrachte. Als sie die Wohnung des Verstorbenen betrat, wollte sie als Erstes wissen, ob er ein Testament hinterlassen habe. Danach wollte sie der Beistand meiner Kinder werden, um die Erbschaft verwalten zu können. Weder ich noch meine Kinder wurden bei der Vorbereitung der Beerdigung miteinbezogen, nur mein Geld war willkommen, um die Beerdigung zu bezahlen. In der Todesanzeige wurde mein Name auf der letzten Linie platziert. Es hinterliess den Eindruck, als hätten meine beide Söhne gar nie eine Mutter gehabt. Trotzdem fand es meine Ex-Schwägerin angebracht, auch noch ein Jahr später das Geld für die Rechnung für die Todesanzeige bei mir einzufordern. Bei der Abdankungsfeier wurde der Lebenslauf meines Ex-Mannes erzählt. Dabei wurde ausgelassen, dass er jemals verheiratet war.

Drei Wochen lang musste ich intervenieren, bis die Wohngemeinde bereit war, mir einen Todesschein als Geschiedene auszustellen. Diesen brauchte ich, um für meine Kinder den Erbschein beim Gericht anzufordern. Die Wohngemeinde gab zuerst alle Informationen nur der Schwester meines Ex-Mannes. Schlussendlich nahm ich meinen gesamten Mut zusammen, um der Schwester meines Ex-Mannes zu erklären, dass meine Söhne die einzigen Erben sind und sie nicht als Beistand brauchen. Ein Jahr später überprüfte die KESB mein Dossier und ich wurde offiziell zum Beistand meines dreizehnjährigen Sohnes ernannt. Der ältere Sohn war damals bereits achtzehn Jahre alt.

Meine Mutter, mein Ex-Freund und zwei Freundinnen von mir hielten immer zu mir. Aber viele Personen aus meinem Umfeld verhielten sich irritierend. Es war, als würde es ihnen schwerfallen, mir zu kondolieren. Mein Arbeitgeber verstand meine Trauer nicht. Nach vier Monaten war ich am Ende und ging. Dank einer Weiterbildung habe ich zum Glück eine gut bezahlte Arbeit gefunden. Ich arbeite nun 100% und benötige somit keine Ergänzungsleistungen.

Nun will der Bundesrat sogar die Witwenrente von der 1. Säule abschaffen bei unter 55jährigen Frauen (aber es wird über eine 13. AHV-Altersrente abgestimmt). Leider sind unsere Sozialversicherungen immer noch vom Geschlecht und vom Zivilstand abhängig und man schaut nicht hin, wer die Kinder grossziehen muss. Bezahlbare Kinderbetreuung gibt es auch immer noch keine. Zum Glück benötige ich diese nicht mehr.

Tanja Widmer
(Name auf Wunsch geändert)

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